„... Balance halten oder balancieren bedeutet das Gleichgewicht wahren. Es meint, einen mittleren Standpunkt oder einen Ausgleich zwischen entgegengesetzten Kräften zu gewinnen suchen.

HAWOLIs bildhauerisches Werk ist dieser Suche in programmatischer Weise verpflichtet. Mit Blick auf die polare Spannung zwischen Natur und Kultur mit ihren das Leben der Menschen beeinflussenden Kräften, verbindet er in der plastischen Konfrontation verschiedener Materialien und Formen künstlerische Probleme mit einer übergreifenden philosophischen Idee. Stein und Stahl repräsentieren die Prinzipien Natürlichkeit und Künstlichkeit. Die aus dieser Gegenüberstellung resultierenden ästhetischen und geistigen Spannungen werden durch geringe handwerkliche Eingriffe gesteigert. HAWOLI erreicht dadurch einen Zustand größter Spannung zwischen der „Erinnerung“ der Steine und der technischen Logik des Stahls, einen Zustand, den er als kritische Balance der Kräfte vorführt. Dabei gelingt es ihm immer wieder, der jedem Streben nach Ausgleich innewohnenden Tendenz zur formalen und inhaltlichen Nivellierung der Gegensätze zu widerstehen, das heißt, die widerstreitenden materiellen und geistigen Strukturen steigern in der dargebotenen Konstellation das Spezifische ihres Charakters. Jede falsche Bewegung, jede unbedachte Größe, jeder schlecht gewählte Abstand könnte die Konstellation zum Einsturz bringen. Durch diese Zuspitzung wird dem Betrachter das Kritische am Zustand der Balance zwischen dem Gewachsenen und dem Gedachten erst recht ins Bewusstsein gerückt. Die Objekte werden somit über das Konkrete ihrer abstrakten Formensprache hinaus zu Metaphern der Gefährdung des Gleichgewichts der Kräfte. So spiegelt sich in ihnen der andauernde Konflikt künstlerischen Arbeitens ebenso wie die fortwährende Auseinandersetzung zwischen Bewahren und Verändern, zwischen Erinnerung und Zukunft.

Aus der Idee von der Einheit der Gegensätze entwickelt HAWOLI beachtliche Lösungen für die Probleme des Plastischen. Für ihn kommen weder ein Zerbrechen der Form oder die analytische Zersplitterung, noch ihre Verfestigung oder die synthetische Verknüpfung als alleinige künstlerische Methode in Frage. Für ihn bedeutet die Gleichrangigkeit beider Vorgehensweisen ihr dialogisches Gegenüberstellen. Mit seinem auf Volumen, Fläche und Linie reduzierten plastischen Vokabular bildet er Raum und Masse und löst sie im Gegenüber wieder auf.

Als Bodenskulpturen besitzen die Objekte einen starken kommunikativen Aufforderungscharakter für den Betrachter. Durch die als dynamische Spannung erlebbare offene Form wird er – das ist die zentrale Idee – aktiv in das plastische Geschehen einbezogen. Denn erst in der Erprobung des eigenen Standortes wird die innere Spannung im Kräftespiel von Stein und Stahl für den Betrachter erfahrbar und das Werk letztendlich gebildet.

Dass diese Erprobung körperlich-räumlich wie geistig gemeint ist, stellt eine Herausforderung dar, der man sich nicht entziehen kann...“

Eckhard Schneider 1986